Leuchtkasten “Azoren”
Aufnahmeort: Pico, Faial und São Jorge (Ilhas dos Açores).
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Das ist sie gewesen, die erste Station unserer Reise um die Welt. Die Küste Faials zieht am Fenster vorbei, bald das Blau des Ozeans, dann eine Wolkendecke. Unter ihr verschwinden die Azoren.
Was bleibt, sind die Erinnerungen an eine Woche portugiesischer Saudade – ein Lebensgefühl irgendwo zwischen wehmütiger Sehnsucht beim Betrachten der Weite des Meeres und ausgelassener Freude über würziges Essen, herben Wein und süßliche Musik. Ausserdem bin ich hin- und hergerissen, doch dazu gleich mehr.
Die Azoren liegen mitten im Atlantik, 2.000 Kilometer entfernt vom nächsten Kontinent. Die Landschaft ist wild, beizeiten ungestüm, wie auch das Wetter. Vom Massentourismus blieb das Archipel deshalb lange verschont, und ich bin geneigt, es als einen der letzten halbwegs unangetasteten Flecken Europas zu bezeichnen.
Das Leben war hier schon immer hart. Mitte des letzten Jahrhunderts lag der Walfang im Niedergang und der weltberühmte Verdelho-Wein im Kampf mit der Reblaus. Düster sah es aus für die Inselbewohner.
Dann, in den 80er Jahren, ein Hoffnungsschimmer: Durch vieles Rechnen fand man heraus, dass das Geschäft mit naturliebenden Touristen einträglicher ist, als die weitere Vernichtung der Meeresbewohner. Flink wurde die Harpune durch die Kamera ersetzt und Pico zum Tummelplatz für Whalewatcher und Delfinschwimmer, Haifütterer und Höhlentaucher. Es stellte sich heraus, dass das Meer um die Inseln so schnell so tief wird, dass alle großen Walarten hier vorbeiziehen.
Heute gelten die Azoren als einer der besten Plätze weltweit für Walbeobachtungen. Als ich mich jedoch zusammen mit neun anderen Schaulustigen an den Sitzen eines Schlauchbootes festzuklammern versuchte während unser Skipper den Tieren nach- und über das Meer jagte, drängte sich mir ein Gedanke auf, den ich seither nicht mehr los wurde: Erst bringen wir die Wale an den Rand der Ausrottung, dann vermarkten wir die Überlebenden als touristische Attraktion. Jagdrausch und Seekrankheit inklusive.
Es heißt, würde es den Tourismus nicht geben, die Wale wären längst verschwunden. Können wir denn nicht für etwas Sorge tragen, auch ohne dass es “sich rechnet”? Des Lebens zuliebe? Es heißt auch, wer einmal einen Wal aus der Nähe gesehen hat, die Ruhe und den Gleichmut dieser Meeresriesen neben sich spürte, dessen Leben verändere sich. Ich denke, das stimmt.
Wie gesagt, ich bin hin- und hergerissen.
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